Balthus: so nannte sich ein Maler, der junge Mädchen in einer sexualisierten Weise portraitierte, um den pädophilen Blick anzusprechen.
Wie man mit derartigen Bildern umgehen soll, wird inzwischen zumindest diskutiert. Im Gegensatz zu Zeiten, wo der männliche Blick sich auch in gewaltsamer Form vollkommen kritiklos in Kunst und Kultur reproduzieren konnte, ist das ein Fortschritt. Denn endlich wird zumindest hin und wieder die Stimme derer in der Debatte wahrgenommen, für die dieser Blick und damit verbundene Handlungen das Gegenteil von erotisiert ist, sondern Bedrängnis, Übergriff und Ohnmachtserfahrung bedeutet.
Der Versuch, diese Stimmen als „prüde“ oder „sexfeindlich“ darzustellen, ist eine altbekannte sexistische Abwehr. Aber zu dieser Asbach-Uralt-Argumentation greift im Zweifelsfalle, wenn nichts mehr hilft, noch immer so manch Antifeminist – oder eben auch Antifeministin.
Salomé Balthus, die ihr Pseudonym wohl nicht zufällig dem genannten Maler entlehnt hat, empört sich in ihrer Welt-Kolumne am letzten Wochenende über eine Anzeige, die sie von mir wegen Verbreitung kinder- und tierpornografischer Schriften erhalten hat. An den Aussagen in ihrem Artikel stimmt nur das wenigste, daher ist eine Klarstellung notwendig.
In ihrer Darstellung streicht sie „kinder-“ und „tier-“ aus ihrer Schilderung, so dass sich die Anzeige scheinbar allein gegen pornografische Schriften richtet und, wie sie suggeriert, aus reiner Sexfeindlichkeit und übersteigertem Feminismus motiviert ist. Ihr zufolge befanden sich auf ihrem Tumblr: „Manga-Comics, Filmchen von Meow!-Projekt und Filmausschnitte von ‚Pretty Baby‘ (Louis Malle) oder ‚My little Princess‘ (Eva Ionesco) – morbider Kitsch, wie ich ihn liebe.“ So spielt Balthus herunter, was faktisch auf ihrem damals offen zugänglichen Blog „salomenude“ zu sehen war und zu diesem Zeitpunkt noch immer ist. Sie verleugnet, dass sie sehr wohl Darstellungen von Kindern in sexualisierter Form postete, gezeichnete wie fotografierte. „Welche Kinder?“, fragt sie im Welt-Artikel.
Ein paar Beispiele: ein nacktes gezeichnetes Mädchen im Grundschulalter, das seitlich steht und ihren Körper vorwölbt. Das Bild stammt von der Quelle „hot-hentai-girls“. Hentai ist der japanische Begriff für gezeichnete Pornografie. Die Zeichnung eines kleinen nackten Mädchens, das auf dem Bett liegt und angstvoll aufsieht. Auf ihren Oberschenkeln und in ihrem Schambereich ist dunkle Soße verspritzt. Auch sie stammt von „hot-hentai-girls“. Das Gif, ein Minifilmchen, eines frühpubertär wirkenden, mit einer Augenmaske versehenen Mädchens, über dessen Körper die Hände Erwachsener fahren. Unterschrift: „Bring your friends“. Hashtags darunter: #gang bang #orgy #group rp. Die Zeichnung eines kleinen Mädchens, das auf einem Mann sitzt, dessen Penis in ihr sichtbar ist und ejakuliert. Fotos von Eva Ionesco als Kind, in sexualisierten Posen.
Eva Ionesco wurde von Balthus ja selbst erwähnt und unter „morbider Kitsch“ subsumiert. Doch in Wahrheit war Ionesco als Kind ab dem Alter von vier Jahren der sexuellen Ausbeutung durch ihre Mutter ausgesetzt, die Ionesco in besagten Posen fotografierte, und die Fotos an Interessenten weiterverkaufte. Ionesco verarbeitete dies vor einigen Jahren in dem Film „I am not your fucking princess“ und benennt ganz klar das, was ihr angetan wurde als Missbrauch.
Das Verfahren gegen Balthus wurde eingestellt. Dass das passiert, war leider nicht unwahrscheinlich, da die meisten Anzeigen wegen Kinderpornografie eingestellt oder wie Bagatelldelikte behandelt werden. Ausgerechnet in der Welt, die Zeitung also, in der Salomé Balthus derzeit ihre Texte veröffentlicht, findet sich ein Artikel, der beschreibt, wie die Justiz Kinderpornografie wie ein Kavaliersdelikt behandelt. Bei nicht wenigen der Täter handelt es sich dem Artikel zufolge um Justizbeamte.
Im Schreiben des Berliner Staatsanwalts zur Verfahrenseinstellung steht: „Tierpornografische oder kinderpornografische Inhalte (stilisierte Mangabilder zählen hierzu nicht) konnten auf der von Blogging-Plattform nicht festgestellt werden.“ (Original-Schreibweise)
Doch darin irrt der Staatsanwalt: „Für die Verwirklichung des § 184b StGB in der Tatvariante der „Verbreitung von Kinderpornographie“ ist es bereits nach dem Gesetzeswortlaut völlig ausreichend, wenn es sich um ein fiktives Geschehen handelt.“ Unter Kinderpornografie zählt des Weiteren seit 2008 auch das Posing: „Da nach dem Gesetzeswortlaut eine Stimulation oder Manipulation am Körper des Kindes nicht mehr erforderlich ist, unterfallen Posing-Bilder nun auch dem § 184b StGB.“ (Quelle für beide Zitate)
Diese gesetzliche Fassung ist richtig so. Denn alles, was erkennbar zur sexuellen Stimulierung durch Kinder dient, auch wenn es in gezeichneter Form als Manga ist, bejaht zugleich generell das Leiden von Kindern als sexuelles Vergnügen für Pädokriminelle. Es verharmlost diese zutiefst verabscheuungswürdige Haltung und im schlimmsten Falle Handlungen gegenüber Kindern und trägt zu deren Normalisierung bei. Des Weiteren verwenden Pädokriminelle beim Grooming auch Kinderpornografie, um den von ihnen angezielten Kindern vorzugaukeln, das, was sie vorhaben, sei doch normal. Sandra Norak erläutert in ihrem Kommentar zu Balthus Welt-Artikel, dass es u.a. genau darum auch in der Gesetzgebung geht: „Der Regelungszweck des § 184b StGB oder § 184c StGb ist mitunter auch eine Bestrafung der mittelbaren Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie die Verhinderung von Anreiz und Nachahmung.“
Für Betroffene sexueller Gewalt als Kind ist das Vergnügen anderer an diesem erlebten Leiden wie ein Faustschlag in den Magen. Viele inzwischen Erwachsene, von denen als Kinder filmische oder fotografische Darstellungen der angetanen sexuellen Gewalt verbreitet wurden, leiden zusätzlich darunter, dass diese Bilder und Filme weiter im Umlauf sind und weiter zur sexuellen Anregung für Pädokriminelle dienen, die mit ihrem sexuellen Vergnügen daran die Gewalt fortsetzen – und zusätzlich durch ihre Nachfrage die Produktion weiter ankurbeln. Eva Ionesco zum Beispiel verklagte, leider vergeblich, ihre Mutter auf Herausgabe der Fotos. Diese werden nun u.a. auf Salomé Balthus Tumblr verbreitet.
Das Problem ist nicht Balthus allein, denn die meisten ihrer Bilder und Filme sind Reposts, kommen also von anderen Quellen. Hunderte und Tausende davon müssen sich demnach allein auf Tumblr befinden. Der Konsum von Kinderpornografie ist inzwischen allgemein so weit verbreitet, dass die britische Polizei jüngst davon sprach, dass jede und jeder davon ausgehen könne, im eigenen Bekanntenkreis jemanden zu haben, der das tut. Doch die Quellen auf Tumblr, von denen Balthus ihre Bilder bezog, sind anonym oder befinden sich außerhalb des Zugriffs der deutschen Justiz. Salomé Balthus aber ist bekannt, weil sie in der Öffentlichkeit als Fürsprecherin der Prostitution auftritt. Seitdem sie öffentlichkeitswirksam ihre Escort-Agentur eröffnete, wird sie durch beinahe alle Medien gereicht. Umso mehr Einfluss haben ihre öffentlichen Verlautbarungen, unter die auch Blogs wie ein Tumblr zählen. Der, auf dem sie die angezeigten Bilder postete, war zu dem Zeitpunkt der Anzeige öffentlich frei zugänglich. Mit zwei Klicks kam man von ihrem Facebook-Profil, mit dem sie sich in öffentliche Debatten einmischt, über ihren dort verlinkten, nach ihrem Pseudonym benannten Tumblr zu dem besagten Blog. Inzwischen hat sie ihn auf privat gestellt, so dass nur Menschen mit eigenem Tumblr-Account ihn sehen können. An den Inhalten hat sich nichts geändert. Lediglich eine Warnung fordert nun unter 18-jährige dazu auf, die Seite zu verlassen.
Balthus versucht in ihrem Artikel, die Anzeige einer Art Feindschaft gegen sie als Prostituierte und Prostitutionsbefürworterin zuzuschreiben – denn dass es an Kinderpornografie liegen könnte („Welche Kinder?“) hat sie ja bereits abgestritten. Doch darin irrt sie. Um ihre Verharmlosung und Beschönigung von Prostitution geht es nicht. Die diesbezüglichen unterschiedlichen Haltungen sind ein Fall für politischen Diskurs, nicht für eine Anzeige, und meine Haltung zu Prostitution habe ich bereits dargelegt. Kinderpornografie ist für sich Grund allein, jemanden anzuzeigen.
Doch bei diesem Versuch, von dem eigentlichen Grund für die Anzeige abzulenken, bleibt Salomé Balthus nicht stehen. Sie greift tief in die Kiste antifeministischer Argumentation, indem sie ein Bild von Beratungsstellen für Betroffene von sexueller Gewalt zeichnet, das dem des unrühmlich geprägten Schmähbegriffs der „Opferindustrie“ entspricht: auf Schauergeschichten nur so lauernde Frauen, die von ihr als „Retterlesben“ bezeichnet werden. Sie malt sich aus, wie diese Beraterinnen hilfesuchende Betroffene nicht nur anfeuern, sich zu offenbaren, sondern sich an deren Berichten auch noch aufgeilen. Ja, das klingt ziemlich schlimm, aber in einer Welt-Kolumne hinter Paywall darf man sowas offenbar schreiben.
Immerhin für einen Lacher sorgte ihr Text. Sie beschreibt eine Begegnung mit mir, die faktisch nie stattgefunden hat. Ein „gedrungenes Wesen“ habe sich ihr bei einer Veranstaltung genähert, „eine ältliche Matrone mit Bürstenhaarschnitt“. Gerne würde ich Salomé Balthus zumindest viel Fantasie zusprechen, aber auch bei meiner Beschreibung greift sie fern jeder Originalität auf altbekannte Negativstereotype aus der antifeministischen Mottenkiste zurück. Das konservative, männliche Publikum, dessen Beifall sie sich damit und mit ihrem enthemmten Bashen von Frauenberatungsstellen, Lesben und Feministinnen allgemein erheischt, wird sich in seinem Weltbild bestätigt fühlen und den erhofften Beifall spenden.
An den Tatsachen ändert aber auch dieser Beifall nichts: dass Salomé Balthus, Schwärmerin für Maler Balthus, auf ihrem Tumblr Kinder und Kinderdarstellungen in sexualisierter und pornografischer Form dem pädophilen Blick darbietet. Inzwischen gerichtlich abgesegnet. Der Welt-Artikel ist Ausweis des Oberwassers, das Menschen, die sowas tun, nach Verfahrenseinstellungen haben.
Wie wärs mit einer Gegendarstellung in der Welt, wenn die Darstellung von Frau Balthus faktisch sein soll?
Eine Gegendarstellung kann man nur bezüglich Äußerungen verlangen, die einen selbst betreffen. Da wäre dann der Kernpunkt, die sexualisierten Bilder von Kindern, nicht dabei. Letzteres kann jede und jeder selbst recherchieren, der Name des Tumblrs wurde im Artikel ja genannt.
Liebe Grunhild!
Wieder ein intelligent geschriebener Artikel von dir! Eine Freude soetwas zu lesen. Liebe Grüße Astrid
Danke!