Prozessbericht: Bewährung nach Vergewaltigung und KO-Tropfen

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Prozessbericht

Bei dem am 22.1.2013 am Landgericht Mainz stattfindenden Prozess drehte es sich um die Berufungsverhandlung eines zuerst am Amtsgericht Alzey verhandelten Vergewaltigungsfalles. In dem Prozess war der Angeklagte zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt worden und daraufhin in Berufung gegangen.

Der vorsitzende Richter in der Mainzer Berufung gab zunächst die Rekonstruktion des Falles aus dem ersten Prozess wieder. Demnach hatte der Angeklagte die verletzte Zeugin in einer Bar kennen gelernt, mit ihr ein Glas Wein getrunken und ihr mit dem Wein unbemerkt KO-Tropfen verabreicht. Danach brachte er sie unter dem Vorwand, sie nach Hause bringen zu wollen, mit dem Auto zu seiner Wohnung. Dort war sie bereits nicht mehr bei Bewusstsein. Er entkleidete und vergewaltigte sie. Währenddessen kam sie wieder zu Bewusstsein und suchte Abstand von ihm. Während sie sich anzog, gab sie ihm auf seine Nachfrage hin ihre Telefonnummer, aus Angst, sonst nicht mehr wegzukommen.

Ein damaliger Freund des Angeklagten, der in der Nähe wohnte, brachte die junge Frau, die er tränenüberströmt vor dem Haus angetroffenen hatte, dann zu ihr nach Hause.

Soweit die Rekonstruktion des Falles. Der Anwalt des Angeklagten bat hiernach den Richter um eine 10-minütige Pause für eine Rücksprache mit seinem Mandanten. Nach Rückkehr aus der Besprechung verkündete der Anwalt, dass sein Mandant die Berufung zurückzieht und somit das Urteil aus dem ersten Prozess annimmt. Das wurde von Richter Eggert mit den Worten „eine weise Entscheidung“ kommentiert.

Unser Kommentar

Das Amtsgericht Alzey hat in dem vorangehenden Prozess eine sehr geringe Strafe verhängt. Schließlich kommt zu dem Verbrechen, eine Bewusstlose zu vergewaltigen – juristisch: „sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger“ – noch die Körperverletzung durch die ungewollte Verabreichung einer giftigen Substanz.

Der §179 bestimmt den Strafrahmen für diese Art von Vergewaltigung folgendermaßen: „Auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.“  Die Verabreichung von KO-Tropfen gehört zur gefährlichen Körperverletzung nach § 224 (Beibringung von Gift und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen) und „wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Wie es nun bei zwei derartigen Delikten zu so einer geringen Strafe kommen konnte, ist unklar. Zum Vergleich: bereits die Verabreichung von KO-Tropfen ohne Vergewaltigung führte in diesem Fall zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe. Auch sind uns die Bewährungsauflagen von Adil M., falls solche festgelegt wurden, nicht bekannt. Eine Therapie wäre wohl dringend anzuraten gewesen, damit er versteht, in welchem Ausmaß er die körperliche Selbstbestimmung einer anderen Person verletzt hat. Denn es zeugt nicht von Einsicht in die Strafbarkeit des eigenen Handelns, dass der Täter selbst diese geringe Strafe noch als zu hart betrachtete und in Berufung ging.

KO-Tropfen werden immer häufiger eingesetzt. Sie sind im Internet recht einfach zu kaufen und bieten aus Sicht des Täters den Vorteil, dass sich die Betroffene/ der Betroffene später nicht mehr oder nur ungenau erinnern kann sowie während der Tat keinen Widerstand leisten kann. Der Einsatz von KO-Tropfen ist der beste Beweis gegen die These des angeblichen „Triebtäters“, der sich nur nicht mehr beherrschen konnte, denn hier zeigt sich, wie strategisch die Täter vorgehen, und die Vergewaltigung weit im Voraus genau planen. Die traumatischen Effekte für die Betroffenen sind genauso gegeben, wie bei bewusst erlebter sexueller Gewalt. Ein zusätzliches Problem für die Betroffenen ist, dass sie durch die ungenaue Erinnerung die Tat schwieriger verarbeiten können. Laut Positionspapier des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe ist bei diesen Straftaten von einer besonders hohen Dunkelziffer auszugehen. Eine Chance auf rechtliche Ahndung besteht meist nur, wenn binnen der nächsten Stunden nach der Tat die KO-Tropfen durch eine medizinische Untersuchung nachgewiesen werden.

Weitere Informationen:

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/ko-tropfen.html
http://www.ko-tropfen-nein-danke.de/10.0.html

http://www.emma.de/ressorts/artikel/vergewaltigung/die-gefahr-aus-dem-nichts/

 

5 Responses to “Prozessbericht: Bewährung nach Vergewaltigung und KO-Tropfen”

  1. KO-Tropfen-Info

    Dieses Urteil ist eine absolute Frechheit und eine Verhöhnung des Opfers! Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber höhere Strafen für Vergewaltiger beschließt und den Ermessensspielraum der Gerichte einschränkt.

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  2. S.

    Die vom AG Alzey verhängte Strafe – die zur Bewährung ausgesetzte Mindeststrafe – erscheint tatsächlich unverständlich niedrig. Allerdings wäre es falsch, dies dem LG Mainz anzulasten. Das Gericht ist an die Berufungsrücknahme des Angeklagten gebunden. Offenbar hatte die StA Mainz keine Berufung eingelegt. Damit wäre eine Erhöhung des Strafmaßes im Verfahren vor dem LG Mainz von vornherein unmöglich gewesen (§ 331 StPO). Wenn der RiLG die Berufungsrücknahme des Angeklagten vor diesem Hintergrund als „weise Entscheidung“ bezeichnet, legt dies nahe, dass der Angeklagte mit seiner Berufung beim LG Mainz absehbar gescheitert wäre (strafmäßig verschlechtern hätte er sich ohne Berufung der StA ja nicht können, die zusätzlich entstehenden Verfahrenskosten hätte er halt noch tragen müssen). Auch möglich, dass die Äußerung des Richters im Hinblick darauf getroffen wurde, dass die Rücknahme dem Vergewaltigungsopfer eine erneute Vernehmung erspart. Ob das auch ein für den Angeklagten ausschlaggebender Aspekt war, kann man natürlich nicht wissen (denkbar scheint es mir eingedenk des geschilderten Zeitpunkts der Berufungsrücknahme); falls dies der Fall sein sollte, hätte er sich dafür zwar auch keinen Keks verdient, es wäre aber wenigstens prognostisch günstig.

    Mir stellt sich vor diesem Hintergrund letztlich auch die Frage, warum die StA Mainz in Anbetracht des mildestmöglichen Urteils davon abgesehen hat, (zuungunsten des Angeklagten) in Berufung zu gehen. Auch Gesetzesverschärfungen können nichts dagegen ausrichten, wenn Strafverfolgungsbehörden nicht (ausreichend) darauf hinwirken, dass die bestehenden Gesetze konsequent und „ernsthaft“ angewandt werden.

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  3. Margret

    Mich würde ohnehin interessieren, warum im Falle von Vergewaltigung so oft Bewährungsstrafen verhängt werden. Das sehe ich gar nicht ein. Meiner Ansicht müssten Bewährungsstrafen bei nachgewiesener Vergewaltigung generell ausgeschlossen werden. Bei leichteren Fällen sexueller Nötigung kann man eine Bewährungsstrafe nachvollziehen – aber bei Vergewaltigung?

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