Warum eine Vergewaltigung kein Blowjob ist.

Ein Kommentar.

Shut down Deep Throat

Erzwungener Oralsex ist eine Vergewaltigung, kein Blowjob. Eigentlich ganz einfach. Und im Grunde könnte dieser Satz als Artikel auch ausreichen, wenn nicht die Mädchenmannschaft erstaunliche Schwierigkeiten damit hätte, diese einfache Tatsache anzuerkennen.

Wir sind es von Maskulisten, Antifeministen und anderen Frauenfeinden gewöhnt, dass sie die Grenze zwischen gewolltem und erzwungenem Sex aufzuheben oder zu verwischen versuchen. Und leider ist das auch im Alltagsdenken noch ziemlich stark verankert. Dagegen versuchen Feministinnen üblicherweise anzugehen. Wir als Initiative machen das zum Beispiel mit unserem Medienradar. Jetzt ist allerdings die Mädchenmannschaft in diesen Radar geraten und wir müssen leider innerfeministische Aufklärungsarbeit leisten. Denn die Mädchenmannschaft beharrt darauf, dass das, was Linda Lovelace, mit bürgerlichem Namen Linda Boreman, widerfuhr, Blowjobs waren. Dass Linda Boreman „eine wichtige Akteur_in des Blowjobs“ gewesen sei.

Woher kommt dieser Ruf? Ganz einfach: Linda wurde von ihrem damaligen Mann Chuck Traynor dazu gezwungen, Männer oral zu befriedigen. Die ihr angetane Gewalt wurde gefilmt und zu einem Porno namens „Deep Throat“ verarbeitet, der in den Siebzigern für Furore sorgte, weil er die unglaublich pfiffige Idee hatte, der Hauptdarstellerin eine Klitoris im Rachen anzudichten. Das Leiden dahinter kannte damals niemand. Doch inzwischen ist es weitläufig bekannt. Linda schrieb in den Achzigern ihre Autobiografie mit dem sprechenden Titel „Ordeal“, auf deutsch Martyrium. Sie beschreibt das furchtbare Ausmaß an sexueller Gewalt und Ausbeutung, das sie erleiden musste. Im letzten Jahr kam außerdem ein Film in die Kinos, der ihren Lebensweg beschreibt – „Lovelace“. Er lief auch hier in Deutschland.

Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass alle wissen, was es mit „Deep Throat“ auf sich hat. Allerdings haben wir es der Mädchenmannschaft mitgeteilt. Zuerst auf Twitter, mit einer Infoquelle, und als darauf keine Reaktion erfolgte, zwei Tage später nochmal auf Facebook. Aber auch da reagierte niemand. Erst als wiederum zwei Tage später andere Frauen dazu kamen und die Verwendung des Begriffs „Blowjob“ für sexuelle Gewalt kritisierten, sowie der Blog Die Störenfriedas einen Artikel dazu brachte, gab es auf Facebook eine Reaktion der Mädchenmannschaft. Nachzulesen ist die Konversation hier . Geändert hat sich allerdings nichts. Linda Lovelace wird weiterhin als „Akteurin des Blowjobs“ bezeichnet, nur wird sie nicht mehr in Zusammenhang mit Kunst gebracht. Die Gewalt bleibt weiterhin unsichtbar. Auf die wiederholte Kritik reagierte die Mädchenmannschaft mit diesen denkwürdigen Sätzen: „Sie ist im Diskurs um das ganze Thema [also Blowjob] eine wichtige Akteurin. Auch als Betroffene von Gewalt verliert man den Status und die Kompetenz der Handelnden nicht.“

Puhh. Und das soll nun rechtfertigen, dass Gewalt nicht als Gewalt benannt wird? Dass die Vergewaltigungen mit einem Begriff für eine einvernehmliche Sexpraktik unsichtbar gemacht werden? Dass die Geschichte, die Linda Boreman aufgezwungen wurde und ihr die falsche Identität der Blowjob-Ikone – eine Tätererfindung – verschaffte, selbst in feministischen Blogs weiter fortgeführt wird? Linda Lovelace als „Akteurin des Blowjobs“ zu bezeichnen – und darauf auch noch zu beharren – führt ein Narrativ der Rape Culture fort, hält es aufrecht und verteidigt es. Die Perspektive der Betroffenen wird zunichte gemacht und die Definition der Täter verbreitet. Es handelt sich dabei um weitere, symbolische Gewalt an Linda Lovelace.

Was die Mädchenmannschaft mit diesen zwei Sätzen ausdrückt, ist: Für sie ist es unwichtig, ob es da Gewalt gab oder nicht. Es wurde am Penis gelutscht, und damit ist es Blowjob. Ob freiwillig oder nicht, tut nichts zur Sache. Sieht von außen ja auch gleich aus.

Wo ein Blowjob ist, gibt es keinen Vergewaltiger und keine Gewaltbetroffene. Nur wo Gewalt als das benannt wird, was sie ist, können auch die Verantwortlichen dafür benannt und zur Rechenschaft gezogen werden. Gewalttaten als akzeptable Handlung darzustellen gehört zum Alltagsinstrumentarium des Patriarchats, um männliche Herrschaft und Machtmißbrauch zu kaschieren und zu normalisieren. Aus patriarchaler Perspektive ja auch völlig verständlich. Nur wie kommt ein bekannter feministischer Blog, der normalerweise ambitioniert und tiefgreifend gegen jegliche Diskriminierung und Machtmißbrauch anschreibt, dazu, solcherart zu argumentieren? Das bleibt eine offene und ziemlich verwirrende Frage. Wir sind allerdings weniger an einer Antwort darauf interessiert, sondern vielmehr daran, dass diese unsägliche Verharmlosung aus der Linksammlung der Mädchenmannschaft verschwindet.

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