Die bekannte Tatort-Schauspielerin Simone Thomalla berichtet, dass sie vor Jahren während einer Zugfahrt einer Frau zu Hilfe geeilt sei. Es habe die Gefahr einer Vergewaltigung durch zwei Männer bestanden. Nachdem durch ihr Eingreifen weitere Mitreisende aufmerksam geworden seien, flüchteten die Täter. Wie in Trance habe sie letztlich den Zug verlassen, zu erstarrt die Geschehnisse mit der anderen Frau zu besprechen.
Vermutlich werden sich einige bei der Lektüre der zuvor beschriebenen Meldung schnell fragen, ob diese Schilderungen denn glaubwürdig seien. Zumal sich dafür eine Prominente auch noch die Bildzeitung erwählte. Dieses grundsätzliche Misstrauen träfe dann nicht mal nur ausnahmsweise Frau Thomalla. Denn obwohl die Anzeige von vorgefallenen Straftaten auch zum Schutz anderer nötig sind, fordert der BGH mit seiner Nullhypothese eine justizielle Verfahrensweise, als ob die ZeugInnen lügen würden. Betroffene werden dann schlimmstenfalls durch derart respektlose Behandlungen ein zweites Mal traumatisiert.
So oder so gibt ihre Schilderung einen Einblick in Gefühlswelten Betroffener und Anlass zur Frage:
Darf in emotionalen Ausnahmesituation wie einer (drohenden) Vergewaltigung noch rationales Handeln erwartet werden?
Die Gerichtsberichterstattung wiederholt sich ständig wenn es um sexuelle Gewalt geht. So steht häufig etwas geschrieben wie „Das Opfer verstrickte sich in Widersprüche“ oder „die Betroffene hatte sich nicht (ausreichend) gewehrt“. In diesem Sinne mehren sich die Kommentare zu einem anklagenden, scheinbaren Beweis: Jemand habe einen unschuldig Angeklagten falsch beschuldigt – wieder einmal. Tatsächlich beträgt die Falschbeschuldigungsrate gemäß Studien gerade mal 3 %.
Machen es sich damit die Berichtenden nicht vielleicht ein wenig zu einfach, und auch die Richtenden, wenn sie nach zitierten Kriterien urteilen? Zu einfach in einer Welt, in der es sehr schwer ist, mit der Wahrheit zum verdienten Recht zu kommen?
Die Gefahr, vergewaltigt zu werden und es nach den Regeln der Justiz nicht ausreichend beweisen zu können, schwebt ähnlich einem Damoklesschwert über den (zumeist weiblichen) Köpfen. Ein Bild, das sicherlich auch die meisten nicht im Kopf haben wollen, wenn sie sich selbst oder ihre Liebsten anschauen. Also wenden viele Menschen ihren Blick lieber von diesen drohenden Gefahren ab, hin zu Szenarien, in denen die Welt zumindest scheinbar noch einfacher, eben sicherer, ist.
Was ist aber mit jenen, die derlei Ungerechtigkeit bereits getroffen hat? Diese dürften sich nicht nur vom Recht, sondern auch von der Anteilnahme ihrer Mitmenschen ziemlich im Stich gelassen fühlen. Deshalb unser Appell an alle, egal welchen Geschlechts: Sexuelle Gewalt geht uns alle an – schaut nicht weg oder nur durch die rosarote Brille!
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