Aufruf zur bundesweiten Vernetzung gegen sexuelle Gewalt

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Das Essener Urteil zeigt, wie viele andere Urteile zu Vergewaltigung zuvor: die deutsche Justiz ist nicht willens, Straftaten gegen die sexuelle Unversehrtheit von Frauen* zu ahnden. Wenn einer Frau gegen ihren erklärten Willen Sex aufgezwungen wird, so Richterin und Staatsanwältin einmütig, reicht dies nicht, um als Vergewaltigung verurteilt zu werden.

Wie kann das möglich sein?

Eine lange Tradition der Gesetzgebung, die Frauen keine sexuelle Selbstbestimmung zustand, ist Grundlage der heutigen Gesetze. So sorgte z. B. erst eine durch die zweite Frauenbewegung in Gang gebrachte Strafrechtsreform im Jahr 1997 dafür, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde.

Doch vor allem gibt es eine Rechtsprechung, die es auch im Jahr 2012 allem Anschein nach darauf anlegt, Vergewaltiger freizusprechen.

Denn wie sonst lässt sich erklären, dass

  • es seit der Strafrechtsreform 1997 steigende Anzeigenzahlen, aber sinkende Verurteilungsraten gibt?
  • geltende Grundsätze, die eine Verurteilung ermöglichen, wie „Bedingter Vorsatz“ schlichtweg nicht angewendet werden? Oder Gesetze, wie im Fall der „Ausnutzung einer schutzlosen Lage“ so interpretiert werden, dass sie auf den jeweiligen Fall nicht anwendbar sind?
  • ein Großteil der Verurteilungen, die schließlich doch zustande kommen, in Bewährungsstrafen bestehen?

Und warum versäumte die Staatsanwältin im Marler Fall, auch vorsorglich in Bezug auf den § 182 (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) anzuklagen, da die Betroffene doch erst 15 war?

Dies alles zeigt: das Problem liegt zum großen Teil in der Rechtsprechung selbst. Gesetze und geltende Grundsätze, die bei einer Vergewaltigung eine Verurteilung ermöglichen, werden schlicht nicht angewandt. Die Forderung nach besseren Gesetzen reicht also nicht.

Wir möchten bundesweit der Justiz bei ihrer Rechtssprechung auf die Finger gucken, dokumentieren und dafür Öffentlichkeit erzeugen, um mit gesellschaftlichem Rückhalt Änderungen dieser (Un-)Rechtspraxis durchzusetzen. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Unversehrtheit ist ein Grundrecht. Die Justiz hat die Aufgabe, wirkungsvoll gegen Straftaten vorzugehen!

Diese und weitere Fragen spielen dabei eine Rolle:

  • Welche Gesetze werden angewandt (oder: nicht angewandt) und wie werden sie interpretiert?
  • Wie häufig werden Vergewaltigungen als minderschwerer Fall deklariert, um Bewährungsstrafen zu ermöglichen?
  • Wie ist der Umgang mit der verletzten Zeugin?

Hierfür suchen wir Mitstreiterinnen, die sich an verschiedenen Orten zur Prozessbeobachtung zusammenfinden. Ein solches Netzwerk kann auch zu anderen Aktionen genutzt werden. Meldet euch bei uns – wir führen euch zusammen!


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