Aufforderung der FDP zur Stellungnahme gegen Sexismus

9 Kommentare.

Wir fordern hiermit eine öffentliche Stellungnahme des FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderles zu den Vorwürfen einer Journalistin, dass er sie sexuell belästigt hat.  Sollten ihre Schilderungen des Hergangs auch aus seiner Sicht zutreffen, fordern wir eine Entschuldigung. Andernfalls signalisiert sein Schweigen, dass er sexuelle Belästigung für eine hinzunehmende Bagatelle hält. Während dies aus Sicht eines Belästigers tatsächlich so sein mag, insbesondere wenn es zu seinem üblichen Verhaltensrepertoire gehört, ist es für die belästigte Frau eine Verletzung ihrer Würde.

Wir möchten nicht, dass die Maßstäbe derer, die Frauen sexuell belästigen, maßgeblich für die Beurteilung von Verhalten sind. Daher fordern wir ebenso alle diejenigen, die jetzt die betroffene Journalistin kritisieren, auf, ihre Kritik und ihre Aufmerksamkeit endlich auf das wirkliche Problem, nämlich die sexuelle Belästigung zu lenken.

Den Bericht über eine sexuelle Belästigung zu kritisieren (z.B. Wolfgang Kubicki, Philip Rösler), anstatt sich klar gegen sexuelle Belästigung im Allgemeinen sowie im konkreten Fall auszusprechen, zeigt vor allem eins: dass das Spitzenpersonal der FDP sexuelle Belästigung nicht nur toleriert, sondern damit indirekt dazu auffordert, sie hinzunehmen. Damit sind sie leider nicht alleine, wie einige der medialen und gesellschaftlichen Reaktionen zeigen. Wolfgang Kubicki setzt dem in dem aktuellen Interview in der Bild am Sonntag die Krone auf, indem er angekündigt hat, Journalistinnen nicht mehr in seinem Wahlkampfwagen mitfahren zu lassen, und auch nicht mehr zu informellen Hintergrundgesprächen einzuladen. So sieht nicht der Kampf gegen Sexismus aus: so sieht der Kampf gegen die Kritik an Sexismus aus.

Sexuelle Belästigung ist allgegenwärtig. Die völlig nebensächliche Frage, warum der Fall erst jetzt thematisiert wird, lässt sich genau damit beantworten: es hätte für die meisten wahrscheinlich den Nachrichtenwert von „Hund beißt Mann“ gehabt. Und genau so hat der Stern ja auf den Versuch der Journalistin Himmelreich, das zeitnah zu veröffentlichen reagiert.

Frauen wird mit sexuellen Belästigungen signalisiert, dass sie als soziales Wesen für den Belästiger nur über ihre Sexualisierung Bedeutung erlangen und dass der Belästiger sie als Person nicht ernst zu nehmen braucht; dass er sie bewerten und bedrängen darf. Frauen werden durch die Belästigung selbst und durch die dahinter stehende Drohung weiterer Übergriffigkeiten degradiert und in ihrer Freiheit beschränkt. Gilt die „Freiheit“ der Freien Demokratischen Partei nur oder insbesondere für Männer? Dann wäre eine Umbenennung günstig, damit sich WählerInnen darauf einstellen können.

Eine öffentliche Diskussion darüber, dass sexuelle Belästigung nicht tolerabel ist, ist längst überfällig, sowie eine klare Positionierung diesbezüglich seitens derer, die sich als „Volksvertreter“ wählen lassen möchten. Wir möchten an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist.

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9 Responses to “Aufforderung der FDP zur Stellungnahme gegen Sexismus”

  1. ProChange

    Die Aufforderung zur Stellungnahme unterstützen wir voll und ganz.

    Seit Jahren kämpfen wir für eine Gesellschaft, die Freiheit und Sicherheit für alle Menschen bedeutet. Wir kämpfen gegen Sexismus, sexuelle Übergriffe, sexualisierte Gewalt.

    Sexismus ist in unserer Gesellschaft so verinnerlicht, dass wir es gar nicht mehr merken.

    90% aller Mädchen und Frauen weltweit sind sexuellen Belästigungen und Übergriffen in der Öffentlichkeit ausgesetzt:

    Kommentare über das Aussehen, obszöne Bemerkungen, angaffen, nachpfeifen, den Weg blockieren, Verfolgung, begrabschen, exhibitionistische Handlungen, bis hin zu Vergewaltigung, Gefahr für Leib und Leben. Betroffen sind größtenteils Mädchen und Frauen. Schon jedes vierte Mädchen im Alter von 12 Jahren ist davon betroffen.

    Worum geht es? Es geht nicht um Flirten. Es geht nicht um Komplimente. Es geht um Respektlosigkeit, Demütigung und Machtdemonstration. Den Tätern dient sexuelle Belästigung dazu, ihre Vorrangstellung und den eigenen Selbstwert zu stabilisieren.

    Grenzverletzungen gibt es überall ohne Einschränkung. Grenzverletzungen haben nichts mit dem Bildungsniveau der Täter zu tun oder mit Aussehen, Alter oder Kleidung der Betroffenen.

    Es reicht auch, dass immer noch das Opfer zum Täter gemacht wird: „Wenn sie keine zotigen Witze hören will, soll sie abends nicht an die Bar gehen etc.“

    Politiker haben durch ihren Status eine Vorbildfunktion. Dementsprechend sollten sie sich verhalten und Stellung beziehen. Schweigen ist in diesem Fall auch eine Form von Stellungnahme. Ablenkungsmanöver tun auch nichts zur Sache.

    Ergo, lieber Herr Brüderle, liebe FDP, wie stehen sie zu uns, Ihren potenziellen Wählerinnen?

    Weltweit stehen Menschen auf für ein respektvolles Miteinander ohne Gewalt. Es wird Zeit, dass unser angeblich so fortschrittliches Deutschland auch endlich aufsteht.

    Die Medien spielen eine große Rolle. Wir werden permanent von sexistischer Werbung berieselt. Beschwerden beim Werberat werden regelmäßig abgeschmettert. Wie schon Kinder dadurch sozialisiert werden, welches Frauenbild vermittelt wird, braucht nicht erläutert werden.

    Wir versuchen, durch Mädchenarbeit und Jungenarbeit an Schulen, einiges davon wieder aufzufangen, Prävention zu leisten.

    Wir haben inzwischen Gesetze gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Es ist vom Gesetzgeber aber noch nicht die Notwendigkeit erkannt worden, Menschen vor sexueller „Belästigung“ in der Öffentlichkeit zu schützen. Der öffentliche Raum ist fast ein rechtsfreier Raum. Begrüßenswert wäre z. B. eine spezifische Ausbildung der Polizei, wie diese Art von Beschwerden zu bearbeiten ist. Wir bräuchten auch Erkenntnisse, wo Street Harassment gehäuft auftritt. An diesen Punkten (Hot Spots) bräuchten wir Polizeipräsenz. Außerdem müßten Gesetze verschärft werden, um nicht nur bei körperlicher Gewalt greifen zu können.

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  2. Cher Haurova

    Der Landtagsfraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki (FDP) glaubt die FDP attraktiv zu erhalten, indem er Frauen die journalistische Tätigkeit verbietet.
    Demnach dürften bald in Deutschland Frauen nur dann arbeiten, wenn sie die Burka tragen. Dann hätte sicherlich auch Herr Rainer Brüderle nicht seinen Intellekt am Dirndl verloren.

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  3. Alex Mertins

    Ich unterstuetze die Aufforderung der Initiative fuer Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt, und fordere gerade die FDP, mit einem LIBERALEN Anspruch auf, oeffentlich Stellung zu nehmen zu den oben genannten Sachverhalten
    Alex Mertins

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  4. Margot Müller, Bundessprecherin der Feministischen Partei DIE FRAUEN

    Die Feministische Partei DIE FRAUEN unterstützt die Aufforderung zur Stellungnahme voll und ganz, da sie sich mit unserer Programmatik und unseren Zielen deckt.

    Bis auf eine winzige Kleinigkeit: Es ist nicht „etwa die Hälfte der Bevölkerung weiblich“ – Frauen stellen die Bevölkerungsmehrheit! Es sind 51% der Bevölkerung weiblich!

    Aber: In keiner der im Bundestag vertretenen Parteien übersteigt der Anteil von Frauen 40%!
    Solange sich das nicht ändert – und dafür sorgen unter anderem Männer wie Herr Brüderle – wird die Politik von Männern bestimmt. Denn alle in diesen Parteien zur Abstimmung stehenden Entscheidungen sind von männlichen Mehrheiten abhängig und bleiben dies auch solange der Frauenanteil in den Parteien nicht mit dem Frauenanteil in der Bevölkerung auf 51% gleichzieht oder diese 51% übersteigt. Bedenkt: Der Männeranteil in der Bevölkerung liegt bei 49% aber in den Parteien sind 60% oder sogar mehr Männer!

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  5. Marion Fabian

    Ich unterzeichne hiermit den Brief. Es könnte natürlich passieren, dass nach einer Stellungnahme/Entschuldigung von Herrn Brüderle die Diskussion abebbt. Drum sollte schnell dafür gesorgt werden, dass der Druck auf Politik, Medien, auf die ganze Gesellschaft erhöht wird. Wir können doch nicht wollen, dass auch in 100 Jahren wieder die Worte von Hedwig Dohm herausgekramt werden müssen!
    „Mehr Stolz, ihr Frauen! Wie ist es nur möglich, dass ihr euch nicht aufbäumt gegen die Verachtung, die euch noch immer trifft. – Auch heute noch? Ja, auch heute noch. (…)
    Mehr Stolz, ihr Frauen! Der Stolze kann missfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn.“ Hedwig Dohm, Die Antifeministen, 1901, S.164f.

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  6. Fee Großmann

    Mit seinem Verbohrten schweigen macht er es immer schlimmer und setzt ein fatales Signal- als waere es ok Frauen*/ Menschen ein ungutes Gefuehl zu geben, Frauen* zu belaestigen und das als „lustigen Dirty Old Man“ abzutun…

    Wenn die Opfer ihr Schweigen brechen, sollten ihnen eigentlich alle Tueren offen stehen…und nicht das Schweigen der Taeter als Angemessen angesehen werden!

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  7. „One billion rising“ « Kritische Standpunkte

    […] Was in Deutschland läuft, findet Ihr u.a. auf: http://www.weibernetz.de/ oder http://www.onebillionrising.de Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den alltäglichen Sexismus und jede Form der Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen gibt es verschiedene Online-Petitionen/Protestbriefe, die wir als Bundesvorstandssprecherinnen unterschrieben haben und für unterstützenswert halten: http://www.change.org/de/Petitionen/indischer-pr%C3%A4sident-vergewaltigungen-ein-ende-setzen-stoprapenow http://www.change.org/notfallverhuetung http://ifgbsg.org/aufforderung-der-fdp-zur-stellungnahme-gegen-sexismus […]

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