Sexuelle Gewalt ist der Polizei nicht der Rede wert

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Trotz der zunehmenden Übergriffe in zahlreichen Städten bleiben die Presseerklärungen der Polizei davon recht ungetrübt. Bereits zu den Silvester-Übergriffen zog beispielsweise die Kölner Polizei vorschnell eine ‚positive Bilanz‘. Und aktuell befindet die Darmstädter Polizei 18 Anzeigen wegen systematischem Einkreisen und Angrabschen gar als eine „sehr positive Bilanz„. Was ist hier also die Ansage? Sexuelle Gewalt ist nicht der Rede wert!

Worte haben Macht!

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Das ist nicht nur bedauerlich sondern auch gefährlich. Denn solche Aussagen senden nicht nur das fatale Signal aus, dass sexuelle Übergriffe bagatellisiert werden. Zudem wird das Problem bei den betroffenen Frauen belassen, anstatt es als gesellschaftliches Problem zu begreifen. Folglich müssen sich Frauen um eine nun bloß weiter verlängerte Liste von Risiken beim Ausgehen sorgen. Und dabei ist es doch gar nicht ihre Aufgabe und auch nicht ihr Vermögen, die Verantwortung zur Sorge um öffentliche Sicherheit zu schultern. Nein, Frauen sind keineswegs sicherer, wenn sie den ‚Rat‘ der Kölner Bürgermeisterin befolgen, in dem sie eine Armlänge Abstand halten. Sicherheit liegt weder in dem alleinigen Vermögen noch in der Verantwortung einiger Weniger (Frauen, auf die die Verantwortung abgelegt wird), sondern in der Sorge der Gemeinschaft. Und die Polizei ist ein von dieser Gemeinschaft beauftragtes Organ, um die gewünschte Ordnung einzuhalten.
Anstatt aber zu zeigen, dass sich die Polizei wirklich sorgt, vermittelt sie mit Botschaften wie „Wir werden jeden einzelnen Fall prüfen“ unterschwellig Skeptizismus gegenüber den Betroffenen. Das wirkt keineswegs so, als ob die von den Betroffenen angezeigte sexuelle Gewalt erstmal als hinreichender Tatbestand befunden würde. Das ‚Prüfen‘ stellt einen mehr oder weniger willigen Beamten-Akt dar und lässt den nötigen Tatendrang vermissen. Andernfalls hätte der Polizei-Mann seine Solidarität mit den betroffenen Frauen auch in der klaren Zusage äußern können, dass die Fälle nicht nur bloß ‚geprüft‘ sondern verfolgt werden. Oder, dass die Polizei in jedem Fall einschlägig ermitteln wird, oder was sonst eben motivierte Polizeibedienstete so zu tun und auch auszudrücken pflegen.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Polizei nicht bloß sprachliche Hürden zu bewältigen hat, sondern das Klima des Misstrauens gegen Betroffene bei sexueller Gewalt. Schließlich gehen beispielsweise die Sachbearbeitenden der bayerischen Polizei bei zwei Drittel der eingestellten Verfahren von Falschbeschuldigungen. Das Problem ist also keineswegs neu. Dabei stellt die Polizei als ausführendes Organ natürlich nur einen beispielhaften, kleinen Ausschnitt aus gesamtgesellschaftlichen Problem dar. Und das existierte lange bevor wir anstatt auf unsere Nächsten, lieber auf Menschen fernerer Herkunft zeigen konnten. Damit muten die sich seit Silvester mehrenden sexuellen Übergriffe als ein nahezu willkommenes Übel an. Nämlich als Ablenkung vom immer noch weit verbreiteten Unwillen, sexuelle Gewalt als solche zu benennen und mit einer Null-Toleranz-Politik konsequent abzulehnen. Es gibt also die eine Masse, hoffentlich eine Minderheit, die sexuelle Gewalt verharmlost und sie einfacher ausüben zu können. Und es gibt die weitaus größere Masse, die sexuelle Gewalt auch verharmlost und damit Sexualstraftaten unwillentlich begünstigt, um sich mit dem gesellschaftlichen Status Quo besser abfinden zu können. Alles nur, um in einer scheinbar heileren Welt zu leben, in der das Übel bloß von außen kommt, und nicht hausgemacht ist.
Und das wird sich erst ändern, wenn sich eben auch Männer genau so um diese Problematik sorgen, wie es bislang einige Frauen tun. Solange aber die damit verbundene Ansage bleibt ‚Frauen, Ihr habt das Problem‘ werden nicht nur Ehefrauen und Töchter sondern auch Söhne von sexueller Gewalt betroffen sein.

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