Birth rape – sexuelle Gewalt durch gynäkologische Behandlungen
Nach Jahren des Engagements und der Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt muss ich nun feststellen: Ich stehe ganz am Anfang. Zumindest was das Thema Birth rape bzw. sexueller Gewalt während oder nach der Geburt durch medizinisches Personal betrifft. Ich kenne nämlich keine Zahlen zur Häufigkeit von Betroffen oder gar justiziellen Folgen. Dass es dazu Studien gäbe, kann ich mir noch nicht einmal vorstellen. Leider. Denn kürzlich sprach mich eine ratsuchende Frau an, der sexuelle Gewalt durch ihre Hebamme angetan wurde. Ich überlegte; zwar fällt unerwünschtes Eindringen in Körperöffnungen durchaus als Vergewaltigung unter §177 StGB. Allerdings wird hier, solange nicht endlich eine vernünftige Reform erfolgt, alles ausgeklammert, was nicht dem Stereotyp der Beibringung durch körperlich-gewaltsamen Zwang entsprechen will. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Betroffene an den bff weiterzuleiten, in der Hoffnung, dass ihr so mehr Informationen und Ratschläge zu eventuellen Handlungsmöglichkeiten offeriert werden können.
Mein Unwissen ärgerte mich und ich suchte im Netz nach Abhilfe. Auf Seiten für gynäkologisches Fachpersonal und ähnlichem fand ich Einiges zum Thema sexueller Gewalt, jedoch nur für Frauen, die bereits vor der Geburt von sexueller Gewalt betroffen sind. Aber wie sieht der Umgang mit Frauen während der Geburt aus, um eben sexuelle Gewalt zu vermeiden? Dazu fand ich nichts und somit keine Hilfe. Auf offiziellen Seiten lässt sich jedenfalls nichts einfach Zugängliches finden, dass unerwünschtes Eindringen etc. überhaupt zum Problemthema gemacht würden. Und so verbleibt für mich und vermutlich alle anderen Ratsuchenden das ungute Zeichen, dass sexuelle Gewalt durch gynäkologische ‚Behandlung‘ aus professioneller Sicht einfach kein Thema ist.
Immerhin entdeckte ich ein paar wenige Artikel und Forenbeiträge, in denen das Thema als solches überhaupt angesprochen wird.
So zum Beispiel ein fünf Jahre alter Beitrag bei Hebammengeflüster, dem privaten Blog einer Doula. Und dieser führte zu teils doch verstörten Kommentaren. Oder besser gesagt: Die angesprochene Problematik störte diejenigen, die wohl lieber heitere „Lach- und Sachgeschichten“ hören wollten. Auf diesen Beitrag bezugnehmend wagte jemand rund ein Jahr später einen Beitrag in einem Eltern-Forum und erntet damit ziemlich harte Vorwürfe. Oftmals wurde hier vehement die Ansicht vertreten, dass werdende Eltern mit solch Informationen doch nicht beunruhigt werden sollten. Seither schien sich nichts nennenswertes Neues im deutschsprachigen Internet dazu zu äußern. Das Problem verblieb als Tabuthema.
Auf englischsprachigen Seiten tut sich dagegen weitaus mehr. Hier wurde das Thema ja auch als birth rape benannt. Zwar ist das Thema hier nun immerhin ein Thema, jedoch wird es mit ähnlich geringer gesellschaftlicher Anerkennung für das Leid von betroffenen Müttern diskutiert. Viele tun birth rape als bloß feministischen Schwachsinn ab. Obgleich viele dieser meist männlichen Kritiker gar nicht verstanden haben worum es geht. Jedenfalls nicht darum, dass die bloße Geburt, und somit jede Geburt, eine Vergewaltigung sein soll – so wie sie es darstellen, um sich vermeintlich schnell des Themas zu entledigen..

Für respektvolles Handeln in der Gynäkologie!
Also warum schlagen hier die Wellen der Empörung eigentlich so hoch? Bloß weil, ein paar Menschen bestimmter Berufsgruppen einfach keine Lust haben, ihr Qualitätsmanagement und folglich ein paar Handlungsabläufe zu überdenken und zu überarbeiten? Das scheint mir zu einfach gedacht. Denn es geht doch nicht um die Frage, auf die in diesem Zusammenhang gern abgelenkt wird, ob Maßnahmen (wie ein Dammschnitt) zur Lebensrettung des Kindes durchgeführt werden. Stattdessen müssen vorab prinzipielle Fragen bezüglich eines respektvollen, wechselseitigen Handelns mit dem weiblichen Körper geklärt werden: Fragen der Aufklärung, dem Einverständnis, der Verhältnismäßigkeit und der Würde. Und diese stellen sich besonders in den Raum, wenn bspw. nach der Geburt auf besonders schmerzhafte Weise vaginale Eingriffe unternommen werden oder erwünschte Kaiserschnitte abgelehnt werden. Egal ob Mütter sich nun vor oder nach der Entbindung befinden; sie haben ein Anrecht auf Aufklärung und Mitbestimmung über den eigenen Körper.
Übrigens war es meine Mutter, die mir einmal erzählte: Nach der Kaiserschnitt-Geburt meines Bruders wurde sie von einer Frauenärztin derart grob mit der gesamten Hand vaginal untersucht (es ging wohl um Entfernung oder Kontrolle eventuell verbliebener Rückstände), dass sie mich später keinesfalls im selben Krankenhaus gebären wollte. Fast hätte ich das vergessen – so wie das Leid von Frauen so häufig vergessen oder verharmlost wird. Bis als die anfangs erwähnte Betroffene zu mir meinte: „Ich glaube, dass ist ein häufig verbreitetes Problem“. Ja, ein Problem das viel mehr thematisiert und so auch enttabuisiert werden müsste. Und so hoffe ich, dass nun die Zeit gekommen ist, dass Mütter berichten können, was sie als grenzüberschreitend erfahren haben und ihnen auch wirklich zugehört wird. Denn #auchMütterhabenGrenzen. Und diese werden sicherlich alle respektieren, die sowohl professionell als auch motiviert in der Geburtshilfe arbeiten wollen. Oder etwa nicht? Na ja, eigentlich ist das aber auch keine bloß die Geburtshilfe und Gynäkologie betreffende Frage. Denn wie hier mit Müttern und Frauen umgegangen wird, ist letztlich nur das Resultat der gesamtgesellschaftlichen Perspektive auf das Selbstbestimmungsrecht und den wertschätzenden Umgang mit dem weiblichen Körper.