Der Unterschied zwischen akzeptablen und inakzeptablen Tätern

Ein Kommentar.

Das neue Jahr hält einen totalen Overkill in Sachen Vergewaltigungskultur parat.
Da wären die sexuellen Übergriffe in Köln und anderen Städten auf Frauen in der Silvesternacht; da ist die Verurteilung der betroffenen Gina-Lisa Lohfink, deren Vergewaltiger vor Gericht in dubio pro reo freigesprochen wurden, zu einer Strafzahlung wegen angeblicher Falschbeschuldigung; da ist der fortgeführte Kampf von Jörg „alle Frauen-haben-ein-Opferabo“ Kachelmann gegen seine ehemalige Geliebte Claudia D., die ihn wegen Vergewaltigung anklagte. Da ist die Einigung von Japan und Korea über die Zwangsprostitution im zweiten Weltkrieg (bzw. Pazifischen Krieg) über die Köpfe der letzten Überlebenden dieses Verbrechens hinweg. Von den Überlebenden, die aus China, den Philippinen und etwaigen anderen Ländern stammen, sah Japan bei seiner mickrigen Entschädigung und der Entschuldigung dabei ab – offenbar ging es nie um die Betroffenen selbst, sondern um Länderdiplomatie.

Sexuelle Gewalt wird gesellschaftlich meist solange stillschweigend hingenommen, wie sie nicht für andere Zwecke instrumentalisiert werden kann. Im Normalfall wird sie vertuscht und ignoriert. Sobald die Betroffenen darüber sprechen und es wagen, Täter zu benennen und anzuklagen, werden sie verhöhnt, ausgeschlossen und/oder bestraft. Es darf nämlich nicht sein, dass den Männern dieses Verfügungsrecht genommen wird oder dass sie dafür gar angeklagt und verurteilt werden. Das würde den Status quo der Geschlechterhierarchie in seinen Grundfesten angreifen. Daher ist die Sorge um die Täter so oft größer als die Sorge um diejenigen, denen sexuelle Gewalt angetan wird. Der Fokus, das Mitleid und die Empathie gelten in der Regel den Tätern, solange sie gesellschaftliches Ansehen haben.

Das ändert sich in dem Moment, in dem Täter einer Gruppe angehören, die im gesellschaftlichen Machtgefüge eine Blitzableiterfunktion einnimmt, auf die man herabschaut, die man als Projektionsfläche für Frustkanalisation gebraucht. So wie jetzt im Falle Köln.

Sexuelle Belästigung ist in Deutschland kein Straftatbestand. Sie kann, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft einen guten Tag haben verfolgt werden in Form von „Beleidigung“. Und wenn sie keinen guten Tag haben, dann eben nicht. Auch Vergewaltigung ist im Großen und Ganzen straffrei. Wenn ganz besondere Bedingungen nachweislich bei der Tat erfüllt waren, kann die Justiz eine Vergewaltigung als Vergewaltigung werten. Oder eben auch nicht. Die meisten der Taten am Kölner Hauptbahnhof werden dementsprechend wohl gar nicht vom Gesetzgeber erfasst.

Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Verhalten der Täter vom Kölner Hauptbahnhof und dem Geist der deutschen Gesetze zu sexueller Gewalt. Dass es so ist, hat bisher leider noch nicht zu einem entsprechenden medialen Aufschrei geführt wie es ihn jetzt bezüglich der Taten von Köln gibt. Die Täter vom Kölner Hauptbahnhof und der Bundesgerichtshof, namentlich dessen misogyner Lautsprecher Thomas Fischer, befinden sich gewissermaßen in trauter Einigkeit, was den nicht vorhandenen Respekt vor der sexuellen Unversehrtheit von Frauen betrifft. Nur dass die betreffenden Gesetze nicht für Täter dieser Herkunft gemacht wurden. In vielen Fällen ist das Ausmaß der medialen Skandalisierung der Ereignisse genau dieser Tatsache zu verdanken: schlichtem Rassismus. Gepaart mit Sexismus ergibt das: dass „die“ das mit „unseren“ Frauen nicht machen dürfen. Diese sind nämlich „unsere Frauen“ – unausgesprochen dahinter: nur „wir“ dürfen das. Um das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit von Frauen geht es also da gar nicht. Der Zeigefinger, der auf Täter nichtdeutscher Herkunft zeigt, weil sie von anderer Herkunft sind, ist genau derselbe, der so fest eingestellt ist, dass er auf weiß-deutsche Täter gar nicht zeigen kann.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich völlig zu Recht einen Shitstorm eingefangen, als sie Verhaltensregeln für Frauen einführen wollte, um Übergriffen vorzubeugen. Doch diejenigen, die auf Rekers Facebook-Seite darüber schreiben, dass sie „in unserem Land“ keine Verhaltensregeln für Frauen akzeptieren, dürfen sich mal auf der Webseite der Wies’n umschauen. Die hält nämlich eine lange Palette an Verhaltensvorschriften – pardon -vorschlägen, für Frauen bereit. Männer und potentielle Täter bekommen lediglich Tips zum richtigen Tragen von Lederhosen. Ob (potentiellen) Betroffenen sexualisierter Gewalt Mitgefühl oder Hohn und ein „Boys will be boys“ entgegenschlägt, ist ganz offensichtlich abhängig davon, von wem diese Gewalt zu erwarten ist.

Unsere Solidarität gilt allen Betroffenen sexueller Gewalt.

One Response to “Der Unterschied zwischen akzeptablen und inakzeptablen Tätern”

  1. Yvonne

    Da Männer, Richter, Polizisten, Anwälte und Staatsanwälte sich schon weigern bei der einer der grössten Menschenrechtsverletzung von Frauen und
    und Mädchen Partei für die Opfer zu übernehmen, können wir uns ausrechnen, wie diese Herren mit der alltäglichen und ständigen Diskriminierung von Frauen umgehen. Arrogant! In ihren Augen kein Thema und nicht relevant. Die nehmen ja nicht einmal Morde an Frauen ernst. auch da versuchen sie der Frau eine „Mitschuld“ anzuhängen, da sie sicher „provoziert“ hat, oder vielleicht eine Prostituierte oder sonst mitschuldig war.

    Ja, das Männerhirn ist simpel und einfältig!

    Alle Gesetzt sind von Männern für Männer gemacht. Das merkt man.

    Tierschutz vielleicht, Frauenschutz ganz sicher nicht! Wo kämen wir da hin?

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